Public Enemy No. 1

Bildschirmfoto 2015-01-09 um 08.13.24Alles, was hierzu gesagt werden könnte, steht bereits in damals erschienenen Büchern. So man sie denn richtig versteht. Ich bin nicht ganz und gar unglücklich über den Terroranschlag auf Paris, welche nächtlichen Schreckensstunden er nun auch heraufbeschwören mag. Apokalyptische Tage wie diese wecken mich auch in anderer Hinsicht auf.
Als der erste Sturm über das Haus hinwegzog, wurde auch ich über Stunden hinweg in den bläulich schimmernden Bann des neuzeitlichen Terrors hineingezogen. Dabei erfuhr ich erst gut 24 Stunden nach der Exekution der Charlie Hebdo Redaktion von der Geschichte, indirekt, über seltsam anmutenden Kommentare, Analysen und Meta-Information. Erst daraufhin klickte ich mich in die Welt der Oberflächennachricht und Live-Ticker, aus der ich für den Rest des Tages nur unter größter Anstrengung wieder herausfand.

Es gibt unendlich viel zu sagen, über diesen Akt, seine Hintergründe und inneren Zusammenhänge, seine unmittelbaren und weitreichenden Auswirkungen. (Nur in den Kommentaren unter dem hauptsächlichen Video auf Youtube tauchen die Verschwörungstheoretiker auf, die an dieser Stelle kaum fehlen dürfen.)
Genau diese Tatsache macht den Terror metamodern so wertvoll, dass es nämlich so unendlich viel darüber zu sagen und zu schreiben gibt, Twitter und Instagram explodieren am Tag nach der Tat, der Hashtag läuft um die Welt während Parteien aller Lager Positionspapiere verabschieden.
Der Meute scheint der Fraß zu schmecken.

Die Metamoderne liebt den Terror, so will es zumindest meinem isolierten Hirn erscheinen. Er geilt sie auf, kitzelt ihre Phantasie, füllt sie mit Aufregung und plötzlicher Bedeutung. 88.000 Polizisten jagen zwei vermeintlich eiskaltblütige Killer, Millionen von Usern jagen Information, Konfusion, Hysterie. Willkommen zur totalen Show, schreibt der alte Fuchs.
Schon jetzt wird der Überfall auf die satirische Redaktion als ein französischer 11. September tituliert, die Geschichtsschreibung in die Zeit vor und nach dem 7. Januar unterschieden. Und wo warst Du, als Du von Charlie Hebdo gehört hast? Zum ersten mal in Deinem Leben, wenn ich mich nicht irre.
If you can’t bring good news, don’t bring any, singt Bob Dylan. Und wie hätten die Zeichner von Charlie Hebdo die ganze Sache wohl karrikiert, frage ich mich bald. Darf man denn Witze darüber machen, sollte man nicht sogar?! Die deutsche Bundeskanzlerin sichert spontan allen Glaubensrichtungen ihren Schutz zu, sogar denen, die an nichts mehr glauben.

Vom 11. September, so viel wird man sagen dürfen, weiß man nur, dass man die ganze Geschichte niemals wirklich wissen wird. (Auch dort wurden im übrigen recht zügig Ausweispapiere der Attentäter in den Trümmern aufgefunden.) Sollte es sich mit dem 7. Januar und dem Angriff auf die freie Meinungsäußerung dann ähnlich verhalten?
Eines kann man, zusammen mit allem anderen Gesagten, auf jeden Fall jetzt schon sagen: aus terroristischer Perspektive war der Akt von Paris ein wahres Meisterwerk. Präziser hätte man das Öl nicht ins Feuer injizieren, effektiver den Flächenbrand der Hysterie kaum entfachen können.
Der 11. September erscheint in seiner übertriebenen Zerstörungswut und seinen Tausenden von Kollateralopfern fast stümperhaft dagegen.
Ich habe nicht vor, in die Welt der Verschwörung abzutauchen, doch die einzige, weil beste Antwort auf den Terror (der jetzt übrigens erst beginnt) ist wohl immer noch der eiskaltblütige Kopf des Killers. Am meisten Angst habe ich nämlich meistens vor der Angst.

Die Chimäre der Information, don’t believe the hype, nothing is real, it’s a sequel.
Ein Vorteil der lächerlich schnellen Metamoderne ist die Möglichkeit, sich ebenso schnell von ihr zu trennen. Bliev ruhig un mach voran, wie der Kölner weiß.

(Dass ich mich am Ende dieser Nacht doch wirklich noch zu der Sache habe äußern müssen. Dabei besteht die höchste Kunst doch seit Urzeiten schon darin, eben nicht einzugreifen, metamodern die Fresse zu halten.)

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