The Grotto (2018)

Ganz natürlich dreht sich The Grotto um den vollständig legalisierten und damit völlig entfesselten Anbau von Cannabis in Colorado. An dieser Geschichte führt bald kaum noch ein Weg vorbei, denn insbesondere Denver und die Front Range der Rocky Mountains befinden sich inmitten eines veritablen Goldrauschs in Grün.
Jeden Monat strömen bis zu 10.000 neuer Menschen nach Colorado, so hört man, und dennoch bleiben die wahren Ursachen dieser neuzeitlichen Flush Times nur sehr schwer zu durchschauen. Ob es wirklich sein kann, dass der ganze Boom auf nur eine Sache zurückzuführen ist, diesen Salat des Teufels, the Devil’s Lettuce?

Grund genug, etwas tiefer einzutauchen, mitten hinein das ungesehene Amerika jenseits der Great Divide, rund um die Friendliest Town Around, in das goldene Dreieck der Hippies, ein sagenhaftes neues Shangri-La, wo Pfirsiche gedeihen und wo im Radio den lieben langen Tag die Freak-Show läuft, ganz in echt jetzt.
Eine schlichte kleine Farm in der Hochwüste von Colorado, auf der mystischen Mesa, das gute und einfache Leben, zusammen mit den Hühnern und den Enten und den ganzen anderen Tieren, Smoothies und Yoga zum Aufwachen, Umarmungen zur Nacht. Ein Best Day Ever nach dem anderen. Vorsicht nur, wenn alles genau so ist, wie man es gerne hätte, wenn alles so easy und groovy ist, wie man es eigentlich nur aus den Hippie-Geschichten alter Tage kennt, wenn die Mütter schon die Joints für unterwegs rollen. Oder, um beim neuen Nobelpreisträger der Literatur zu bleiben, Bob Dylan, dessen Worte den Geist des neuen Jahrtausends so oft wie präzise treffen: They stone you and then they say good luck!

The Grotto ist ein zweisprachiger, überwiegend jedoch amerikanischer Text, alles andere ginge am Kern der Sache vorbei. Trimming weed in Colorado, aufgeschrieben wie erlebt. Anders könnte man die schleierhafte Kultur dieser eigenwilligen Landwirtschaft schriftlich kaum erfassen, es braucht den klebrigen Slang des All-American Hippie Farmers, des Mystic Man oder auch des Groot.
Die Unschärfe dieser sagenhaften Welt ist nicht nur unvermeidlich sondern eben auch charmant, bewegen wir uns doch immer noch in der postfaktischen Sphäre des sogenannten Informationszeitalters. Klar ist eigentlich nur, dass nichts klar ist und niemand mit Gewissheit sagen kann, wo die Reise als nächstes hingeht. Niemand wüsste das besser als der Groot, ein Rambling Man der alten Schule, undurchsichtig, ungekämmt, und ausbezahlt in Fünfdollarscheinen.

The Grotto spielt in und mit dieser sagenhaften Welt von Turtle Island, den Fantasien und Wahnvorstellungen des romantischen Amerika, diesem Bild in ewiger Veränderung, immer wieder so gut, dass es wirklich nicht wirklich sein kann. Traditionell aufgeschrieben im Strom des erweiterten Bewusstseins, diesem eklektischen Mix aus Unterhaltung und Information, Zen und Räuberpistolen, dem Klang der neuen Welt oder dem Wind der alten Tage. Natürlich spielt der Sheriff eine gewisse Rolle, genauso wie das Anagram of God, ein grünes Tor, für das es keine Schlüssel gibt, heiße Quellen am Rande der amerikanischen Straße, die Arbeit des Teufels, die niemals leicht fällt, unermüdliche Sündenböcke, das farbenfrohe Schimmern der Immobilienblase, interessante Zeiten, Fluch und Segen.


Johannes Thies – The Grotto
Softcover, 247 Seiten, € 10,00
Format 190 x 125 mm
spontaner Selbstverlag Hoffnungsthal, Januar 2018
ISBN: 978-3-9819503-0-4
KAUFEN