Gestern Abend im TGV Atlantique.
Ein Vierer-Abteil, ich und ein Typ Mitte 50, zurückgegelte Haare, arabischer Einschlag, einigermaßen hektisch, möglicherweise auf Droge, aber nicht zwingend. Weißes Polohemd mit diesem überdimensionierten Ralph-Lauren-Reiter auf der Brust, old school Nokia Handy, das er gleich zweimal unter den Tisch zwischen uns beiden fallen lässt.Kehrt irgendwann mit 2 Dosen Heineken zurück an den Platz, ok denke ich, genug gearbeitet, jetzt wird sich leicht der Kopf frei gemacht. Reicht mir bald eine der beiden Dosen über den Tisch, une bière, pas trop fraîche, fragt er, ich, warum nicht, avec plaisir. Schmeißt dazu sein Nokia zum nun dritten mal unter den Tisch, ich bücke mich, währenddessen ihm das eben geöffnete Heineken aus der Hand gleitet und sich lauwarm schäumend im Mittelgang des Schnellzugs verteilt.
Bin ich also im Nu der einzige mit einem nicht zu kalten Bier in der Hand. Maintenant il faut partager, sage ich, doch er winkt ab & beginnt eine wortreiche Erklärung in Hochgeschwindigkeitsfranzösisch, von der ich nur so viel verstehe, dass er aus gewissen Gründen sowieso nicht mehr trinkt & die beide Dosen eben noch in seinem Reisegepäck gefunden hat. Die sollten noch weg, bevor er gleich seine Frau in Vannes trifft. Ein Zeichen also, dass nun mit einem mal beide weg seien, un signe.
Dass ich mit einem Akzent spreche, schmeichelt er mir als nächstes, wo ich denn herkomme. Allemagne, sage ich, de Cologne, oha, freut er sich, ein Freund von ihm sei in Köln, spiele dort Fußball, sogar recht erfolgreich.Oha, sage ich, wer denn?
Anthony Modeste, ob ich den kenne. Naja, sagt er, nicht direkt ein Freund, eher ein Copain. Aber tatsächlich sei er sehr gut mit ihm bekannt, sie schreiben sich oft und gewissermaßen habe er Anthony’s Ehe gerettet, naja nicht direkt aber irgendwie schon. Na er sei ja jetzt auch weg, sage ich, en Chine und trés dommage, weil ihn ja alle heiß und innig liebten und der Club seither einen regelrechten Sturzflug hinter sich habe.
Mein Gegenüber freut sich ganz außerordentlich, dass ich ihn kenne und dass die Menschen in Köln ihn so sehr lieben, er werde ihm das gerne so sagen, und außerdem würde es Anthony längst bereuen mit China, es war das liebe Geld, Anthony wollte dahin, so viel wisse er ganz sicher. Dann steht er auf und verabschiedet sich, geht in Richtung Tür, kehrt aber augenblicklich zurück, weil der Zug für die nächsten 20 Minuten überhaupt keine Anstalten macht, von seiner hohen Geschwindigkeit abzulassen. Alors, sagt er, kann ich dir die Geschichte auch gleich ganz erzählen.
Von allen Fußballern, die ich kenne, und das sind sehr viele, ist Anthony der beste. Der beste Mensch, très très gentil, eine wirklich außergewöhnlich gute Seele, dabei tippt er sich zur Bestätigung auf die Brust. Très très gentil, vraiment. Nur, sagt er, Anthony hat eine Schwäche für die Frauen, une faiblesse. Und meine Ex, naja, Typ Mannequin, sehr groß, sie hat es auf Fußballer abgesehen, einen nach dem anderen, une connasse, du weißt was das heißt, naja, bösartig, méchant.
Wie auch immer, Anthony ist jetzt mit seiner Frau, aber manchmal, naja, und als die Geschichte mit ihm und meiner Ex herauskam, da wollte seine Frau ihn verlassen, ich habe mit ihr telefoniert und ihr alles erzählt und, naja, so irgendwie die Ehe gerettet.
So oder so ähnlich erzählt und verstanden, gestern Abend im Train à Grande Vitesse.